22. Dezember 2013
In der altorientalischen Welt war es gang und gäbe, die Wichtigkeit von großen Persönlichkeiten zu betonen, indem man ihre Geburt als etwas Wunderbares und Außergewöhnliches darstellte. Das ist z.B. in der griechischen Mythologie der Fall, und auch beim großen römischen Kaiser Augustus. Aber auch in der Bibel, sowohl im Alten als im Neuen Testament geht man auf diese Weise vor. Es gibt da die Erzählung der Verkündigung der Geburt Simsons durch einen Engel, die genauso verläuft wie die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria. Es gibt die Beispiele von Isaak, der Sohn von Abraham und Sara, und von Johannes dem Täufer: Immer handelt es sich um die Geburt eines Kindes, die eigentlich gar nicht erwartet werden konnte und die nur aus dem besonderen Eingreifen Gottes zu erklären ist. Und es gibt auch unzählige Beispiele dafür, wie das Sprechen Gottes zu einem Menschen in einem Traum geschieht, wie im heutigen Evangelium bei Josef. All dies sind altorientalische Darstellungsweisen, bei denen nicht an erster Stelle das Wunderbare und das Außergewöhnliche wichtig sind, sondern die Botschaft, das, was man damit sagen will.
Worum geht es also in der heutigen Szene mit dem Traum von Josef? Mit einer Erzählung im Predigtstil seiner Zeit legt Matthäus die Bedeutung von Jesus da. Dabei setzt er die damaligen Eherechtsverhältnisse voraus: Maria ist mit Josef aus dem Haus Davids „verlobt“ (d. h. nach damaligem Recht: verheiratet), wohnt aber noch nicht mit ihm zusammen (dies geschah meist ein Jahr nach der Verlobung). Da Maria in dieser Zwischenzeit ein Kind erwartet, das nicht von Josef stammt, muss dieser einen Ehebruch vermuten; deswegen könnte er sie verstoßen und der Todesstrafe ausliefern. Um Maria vor dieser Schande zu bewahren, überlegt er, die eheliche Bindung jüdischem Recht entsprechend zu lösen.
In einem Traum belehrt ihn jedoch Gott über die Herkunft des Kindes und beauftragt ihn, ihm den Namen „Jesus“ zu geben. Durch die Namensgebung wird Josef nach dem jüdischen Gesetz gesetzmäßiger Vater. Der Name „Jesus“ (= Gott hilft) verdeutlicht, wer dieses Kind ist. Matthäus verwendet den Name „Immanuel“ ( Gott-mit- uns), den er vom Propheten Jesaja kennt (1. Lesung).
Ein einfacher Satz: Gott ist mit uns! Macht er aber nicht den Kern des christlichen Glaubens aus? Geht es hier nicht um eine unheimlich tröstliche, befreiende Botschaft über Gott selbst, eine Botschaft, die Jesus durch sein ganzes Leben bezeugen wird? In der griechischen Götterwelt ist der Mensch nur ein Spielball in den Händen mürrischer und unberechenbarer Götter. Bei den orientalischen Religionen ist Gott ein Despot, der blinden Gehorsam fordert. Der Gott der Bibel, der Gott von Jesus, ist der „Gott-mit-uns“! Er steht auf unserer Seite. Er ist an uns interessiert. Er will unser Wohl, unser Glück!
„Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“, steht schon im Ps 8. Darüber kann man nur staunen! Laut der modernen Wissenschaft entwickelt sich das Universum seit ca. 13 Milliarden Jahren und dehnt sich immer weiter aus, wird immer größer. Es besteht aus Milliarden Galaxien, jede mit Milliarden Sternen. Und zu einer dieser Galaxien, die Milchstraße - sie befindet sich erst am Rande des Universums – gehört, unter wieder Milliarden Sternen, die Erde, auf der es seit erst 200.000 Jahren Menschliche Wesen gibt: noch kleiner als Staubkörnchen in diesem ganzen Schöpfungswerk. An diesen Wesen ist Gott interessiert, er mag sie, er ist mit ihnen!
Die Botschaft von und über Jesus von Nazareth, dessen Geburtstag wir in ein paar Tagen feiern lautet: Die alte Sehnsucht nach Gottes Hilfe ist keine Täuschung; Gott hat eingegriffen. Gott selbst setzt mit dieser Geburt einen Neuanfang. Die Menschheit ist nicht sich selbst überlassen und dem Verderben preisgegeben. Wer sich glaubend dieser frohen Botschaft öffnet, vermag heute noch darüber zu staunen und der Einladung vieler Weihnachtslieder folgen: „Kommt, lasset uns anbeten!“